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Die Bäckereifachverkäuferin, Paulo und ich

15 Mär

„Alles ist miteinander verbunden, und hat einen Sinn. Obwohl dieser Sinn meist verborgen bleibt, wissen wir, dass wir unserer wahren Mission auf Erden nah sind, wenn unser Tun von der Energie der Begeisterung durchdrungen ist.“ – Paulo Coelho, Der Zahir

Es war Sonntag. Ich war früh aufgestanden, 16:30 Uhr Ortszeit. Kurzer Blick in den Kühlschrank. Oh ne, doch lieber nicht. Der Broccoli liegt da wohl schon etwas länger, die Milch hatte auch schon glücklichere Tage gesehen. Lieber was vom Bäcker schmeckern. Ich schlendere also aufm Gehsteig dahin, die Zwitscher vögeln äh ach ne andersrum: Vögel zwitschern. Und ich mittendrin, kühn springe ich von der Bordsteinkante, gehe über die Reichenberger Straße und kann nur knapp einem Rüpel-Senior mit Rollator ausweichen. Beinahe hätte er mich tangiert, wenn nicht gar touchiert. So bin ich aber heil über die Reichenberger und stehe jetzt vor der Bäckerei. Beschwingt von der frühlingshaften Stimmung trete ich ein und gebe mir innen selbst die Klinke in die Hand. Hoppla, war wohl nicht ganz sauber verschraubt. Kreuzberger Wertarbeit sieht in jedem Fall anders aus.

Jede Bäckerei riecht ja bekanntlich anders. Der Ditsch im U-Bahnhof riecht zum Beispiel immer nach öligen Pizzaecken. Und bei Le Crobag duftet es nach zuckrigen Hörnchen im feinen Backfettmantel. Hier roch es anders! Ich bin nicht Paulo Coelho, aber an dieser Stelle muss ich poetisch werden:

Die Rosine im Kuchenteig meines Lebens ist diese Backstube. Ihr Duft erinnert mich an früher. An die Zeit, als ich bei meiner Großmutter auf der Kaminbank saß, ihr beim wohltuenden Kneten des warmen Brotteiges zusah und innerlich voll von jenem frohlockenden Gefühl tief erfüllter Geborgenheit und mütterlicher Liebe war.

Und wie ich da noch so stand und mich wie Paulo Coelho fühlte, vielleicht sogar ein bisschen wie er fühlte, falls er was fühlt so schriftstellermäßig, erfüllte sich die Luft mit einer Frage, die plötzlich und unverhofft im Raum stand: „Darfs wat sein junger Mann oder kieken se hier nur in die Luft?“

Ich senkte meinen Blick und antwortete: „Guten Morgen schöne Frau, das ist aber eine hübsche Auslage die Sie da haben. Die würde sich in einigen Filmen ganz famos…aber das ist eine andere Geschichte…“ Ich stockte: „Vielleicht nehme ich doch erst mal einen Kaffee.“  Früher war man mit einem Kaffee ja auf der sicheren Seite. Heute hingegen bietet die Bestellung eines Kaffees einen willkommenen Anlass für das niedere Bäckereipersonal einen mit hinterlistigen Nachfragen und Offerten zu triezen. „Tall Latte, Grande Latte oder Supreme Grande Latte?“, fragte sie kess. Ich blickte an mir herunter. „Naja, Grande ist die schon oder?“ Die Bäckereifachverkäuferin mit ihrem krustenbrotbraunem Haar und ihren Augen, die blauen Zuckerperlen glichen, ging nicht auf meine Frage ein. Professionell fuhr sie fort: „ToGo oder gleich hier?“ Ich war perplex. Normalerweise hieß es doch: Zu mir oder zu dir? Und was jetzt mit Togo? Ist das nicht dieses afrikanische Land wo Adebayor, der bekannte Stürmer von Real Madrid herkommt? Aber was hat der jetzt in meinem Kaffee zu suchen? Fragen über Fragen und die Bäckereifachverkäuferin fügte ungeduldig noch eine hinzu: „Also wat isn nu? Andere wollen auch noch…“ Ich nickte: „Also gut, ich hätte gerne erst eine Supreme Grande Latte und dann zum Abschluss einen schönen Spritzkuchen.“

„Tut mir Leid Süßer, der Spritzkuchen ist leider gerade aus. Man könnte auch sagen ausgespritzt, aber das wäre wohl etwas zu salopp, würde nicht in diese Umgebung passen. Aber in einer halben Stunde habe ich Feierabend, dann könnte ich dir einen fertig machen. Wäre das was für dich, Paulo?“

„Normalerweise esse ich ja so spät keine Süßigkeiten mehr, aber für dich kann ich ja mal ´ne Ausnahme machen, wa!“